So lief der Rettungseinsatz in der Vetschauer Kümmelmühle ab

In der Vetschauer Kümmelmühle hatte es in 45 Metern Höhe gebrannt. Zwei Kameraden, die als erste am Unglücksort eintrafen, sprechen über einen außergewöhnlichen Einsatz. Unternehmer Kümmel und die Stadt setzen nun ein besonderes Zeichen.

Es ist 8.30 Uhr, als an diesem 16. Juni der Notruf bei der Leitstelle Lausitz eingeht. Auf dem Gelände der Vetschauer Kümmelmühle ist ein Feuer ausgebrochen. In der zehnten Etage des Silogebäudes, wo Getreide hergestellt wird, wird eine starke Rauchentwicklung festgestellt. Die zehnte Etage befindet sich in 45 Metern Höhe. Zum Vergleich: Ein gewöhnlicher Wohnblock hat eine Höhe von 15 Metern.

Kein alltäglicher und gefährlicher Rettungseinsatz

Für die zügig eintreffenden Kameraden wird schnell klar: Das wird kein alltäglicher, vor allem aber ein gefährlicher Rettungseinsatz. Die Drehleitern der Feuerwehrfahrzeuge erreichen diese Höhe nicht. Der Fahrstuhl ist wegen der starken Rauchentwicklung ausgefallen. Alle Einsatzkräfte müssen zu Fuß durch das völlig verqualmte Treppenhaus den Brandherd lokalisieren und bekämpfen.

Nach einer schnellen Einweisung der Kameraden durch ortskundige Mitarbeiter des Betriebes werden fünf Einsatzteams gebildet, bestehend aus jeweils drei Feuerwehrleuten. Sie sollen sich bei der Brandbekämpfung abwechseln. Mitarbeiter aus Turm 2, der Siloanlage, haben sich inzwischen nach draußen gerettet. Drei Personen werden mit dem Verdacht einer Rauchgasvergiftung vor Ort medizinisch versorgt.

Nach der ersten Lageerkundung wird ersichtlich: Weitere Menschenrettungen sind nicht notwendig. Das Gebäude ist nun frei, die Löscharbeiten können beginnen.

Vorstoß in einen unbekannten und brennenden Raum - ohne Sicht

„Es gehört eine große Portion Mut dazu, in einen mir unbekannten Raum vorzudringen, in dem es brennt“, wird Vetschaus Stadtwehrführer Holger Neumann später sagen. Die Einsatzkräfte werden nicht gedrängt. Jedem wird die Frage gestellt, ob er sich das zutraue. Gruppenführer Philipp Krüger und Maschinist Marcel Roblick sind die ersten beiden Kameraden, die in das verrauchte Treppenhaus vorstoßen.

30 Kilogramm Ausrüstung tragen Kameraden in 45 Meter Höhe

Sie haben lediglich die Information, dass sie oben ein Maschinenbrand erwartet. Über einen Lageplan erhalten sie grobe Kenntnis vom Gebäude. „Wir haben rund 30 Kilogramm an Ausrüstung geschultert und getragen“, sagen die beiden. Schläuche, ein Strahlrohr, ein Hooligan Tool (Brechstange aus Metall), eine Wärmebildkamera, vor allem aber Atemschutzgeräte, 300 bar Druckluftflaschen und ihre eigentliche Feuerwehrkleidung sorgen für das enorme Gewicht.

Auch einen Hydrantenschlüssel haben sie dabei. „Pro Ebene gibt es einen Abgang einer Löschwasserleitung. Dadurch hatten wir auf jeder Etage Zugang zu Wasser“, berichtet Marcel Roblick.

Der Aufstieg wird extrem kräftezehrend. Ein Sicherungstrupp läuft hinter den Kameraden, die ihrerseits jederzeit eine Notruftaste betätigen können. „Bis zur achten Etage konnten wir noch über die Sauerstoffzufuhr der Umgebungsluft atmen“, sagt Philipp Krüger. Ab der neunten Etage ist die - wie sie sagen - magische Rauchgrenze erreicht.

Die Atemschutzgeräte kommen nun zum Einsatz. Die Sicht geht gen Null. „Wir waren durch die komplette Verrauchung völlig orientierungslos und haben uns nur durch Abtasten vorwärts bewegt“, sagt Roblick. Die Zeit drängt, denn die Sauerstoffflaschen liefern nicht unbegrenzt Luft zum Atmen.

Brennende Maschine für die Reinigung von Getreide

In der zehnten Etage schlägt dann die Wärmebildkamera an. Sie zeigt besonders heiße Bereiche. Durch den hellen Rauch hindurch kann der Brandherd schließlich lokalisiert werden: Es handelt sich um eine Maschine für die Reinigung von Getreide. „Sie sah aus wie ein Trichter, etwa zwei bis drei Meter breit“, erinnern sich die beiden Feuerwehrmänner. Mit vorsichtigem Berieseln können sie den Brand löschen. Zu einer Verpuffung oder gar Explosion kommt es nicht.

Insgesamt dauert der Einsatz vom ersten Notruf bis zum Abzug der letzten Nachsorge-Einheiten rund vier Stunden, wie aus dem Einsatzprotokoll zu entnehmen ist.

Durchtrainierte Kameraden stoßen an physische Belastungsgrenze

„Alle Akteure haben sich ruhig und besonnen verhalten“, berichtet Holger Neumann im Anschluss. Mitarbeiter der Kümmelmühle hätten die Kameraden mit Getränken versorgt, keiner hätte überreagiert. Und dennoch stoßen selbst durchtrainierte Feuerwehrleute bei solch einem Einsatz an die physische Belastungsgrenze.

Für Unternehmer Uwe Kümmel ist ein solcher Einsatz ein Moment im Leben, auf den er und seine Mitarbeiter gern verzichtet hätten. „Viele Gedanken sind mir durch den Kopf gegangen, als ich aus Suschow zum Unglücksort hinzukam. Vor allem die Hoffnung, dass alle Kollegen unverletzt sind“, sagt er. In Summe arbeiten 40 Mitarbeiter in der Gebr. Kümmel + Co. Schälmühle, die im Volksmund kurz Kümmelmühle genannt wird.

„Zunächst sah der Brand durch die Rauchentwicklung sehr gravierend aus. Zum Glück konnte aber durch das Verhalten aller Schlimmeres verhindert werden“, sagt Uwe Kümmel. Der Geschäftsführer spricht von einem Totalschaden an einer Maschine, verursacht durch einen technischen Defekt. Derzeit laufen Untersuchungen in dem Unternehmen, ob es Schwachstellen an weiteren Maschinen gibt.

Der Einsatz selbst lässt Stadtwehrführer Holger Neumann auch Stunden danach nicht los. Er nimmt kurzerhand Kontakt zu Bürgermeister Bengt Kanzler (parteilos) und Uwe Kümmel auf. Seine Idee: alle Kameraden, die bei der Rettungstat dabei waren, müssen ein kleines Dankeschön erhalten. „Ein Sack Mehl war die erste Idee“, sagt Neumann mit einem Augenzwinkern.

Würdigung der Einsatzkräfte in der Stadtverordnetenversammlung

Stadtspitze und Unternehmensleiter sind sofort einverstanden. In der Stadtverordnetenversammlung in dieser Woche erfolgte dann die offizielle Würdigung der gesamten Feuerwehrmannschaft. Zwar ohne den Sack Mehl, dafür aber in Form eines Tankgutscheins.

„Ein großes Dankeschön an die eingesetzten Feuerwehrleute, auch an die Wehren nach Calau und Lübbenau, für die professionelle und vor allem unkomplizierte Zusammenarbeit. Gleiches gilt für die Mitarbeiter der Firma Kümmel, welche die Feuerwehr umfänglich unterstützt haben“, waren sich Bürgermeister, Geschäftsführer und Stadtwehrführer einig.

Quelle: lr-online.de

Foto: Ho. Neumann

Foto: Steffen Römelt

 

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